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  • Leitgedanken zum Ausbildungsprogramm

    „Erzähle mir und ich vergesse. Zeige mir und ich erinnere mich. Lass es mich tun und ich verstehe“ (Konfuzius 553-473 v. Chr.).

    Was Konfuzius damals schon wusste, können wir heute noch um Erkenntnisse der Hirnforschung erweitern. So lernen wir eben nicht nachhaltig, indem wir Regeln auswendig lernen, sondern dadurch, „dass wir Beispiele verarbeiten […] und aus diesen Beispielen die Regeln selbst produzieren.“[1] Nur wenn Regeln im konkreten Tun immer wieder angewendet werden, geht dieses flüchtige Wissen in ein Können über, „das jederzeit wieder aktualisiert werden kann.“[2] Ein weiterer positiver Aspekt kommt hinzu: Je häufiger und interaktiver diese Arbeit mit Beispielen geschieht, desto intensiver ist die damit verbundene Verarbeitungstiefe im Gehirn und damit besser für das Behalten.[3]

    Hieran orientiert gestalten wir die Ausbildung im Seminar Grundschule am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) in Engelskirchen. Somit steht für uns im Zentrum unserer Ausbildung nicht der Erwerb abfragbarer Kenntnisse, sondern vielmehr die kompetente und reflektierte Anwendung des erworbenen Wissens in beruflichen Handlungssituationen[4]. Fachliche, didaktische, pädagogische und schulrechtliche Kenntnisse sind Basis und wichtige Voraussetzung professionellen Handelns. Neben diesen bedarf es unserer Meinung nach aber auch weiterer Qualifikationen wie Engagement, Begeisterungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbereitschaft, Empathie, Geduld, Toleranz, Offenheit und Sensibilität, Authentizität, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Interaktionsfähigkeit sowie dauerhafte Lernbereitschaft.

    Zentrale Zielsetzung des Vorbereitungsdienstes ist die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz. Rechtliche Grundlagen hierfür sind die Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (OVP) und das Kerncurriculum für die Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst (KC).[5]

    Vor allem das seit dem 01.05.2021 in Kraft getretene, weiterentwickelte Kerncurriculum setzt deutliche Akzente auf eine personalisierte, eigenverantwortliche und reflektierte Professionalisierung des Lehrer:innenhandelns unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Diese Professionalisierung vollzieht sich in fünf Handlungsfeldern:

     

    Abb. 1: Handlungsfelder des Kerncurriculums für die Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst NRW[6]

    Alle Handlungsfelder sind durch die „Leitlinie Vielfalt“ miteinander verbunden, nach der die in den Lerngruppen gegebene Vielfalt (genderspezifisch, kulturell, sprachlich, behinderungsspezifisch) zum Ausgangspunkt eines verantwortlichen Lehrer:innenhandelns wird.[7]

    Die Anforderungen des 21. Jahrhunderts für das Bildungswesen werden in den vier Dimensionen der Bildung konkret und anschaulich zusammengetragen. In den vier Dimensionen sind die Ziele von Bildung für das 21. Jahrhundert ausgedrückt: Neben traditionellen und modernen Bereichen des Wissens nehmen hier Skills und Charaktereigenschaften einen gleichwertigen Stellenwert ein, wie die nachfolgende Abbildung zeigt. Als vierte Dimension wird das Meta-Lernen in die Lernerfahrungen der Bereiche Wissen, Skills und Charaktereigenschaften integriert.


    Abb. 2: Die vier Dimensionen der Bildung[8]

     

    Meta-Lernen bezieht sich auf die „die internen Prozesse, über die wir unser Lernen reflektieren und anpassen.“[9] Erst dadurch können wir das Lernen in den drei anderen Dimensionen vertiefen und verbessern. Während in der Schule die Umsetzung dieser Bildungsziele für Schüler:innen angestrebt wird, wollen wir im Grundschulseminar Engelskirchen eben diese auch zur Grundlage der Lehrer:innenausbildung machen. Dabei kommt der Dimension des Meta-Lernens ein besonderer Stellenwert zu: „Der sicherste Weg, Schülerinnen und Schüler auf eine sich wandelnde Welt vorzubereiten, besteht darin, ihnen das Rüstzeug zu geben, um vielseitig und wandlungsfähig […], reflektiert, selbstgesteuert und selbstbestimmt zu handeln.“[10] Dieses ‚Rüstzeug‘ wollen wir auch den Lehramtsanwärter:innen nicht vorenthalten und sehen einen besonderen Schwerpunkt im Rahmen der Ausbildung in der Entwicklung von Reflexionskompetenz, um „sich im Beruf durch vertieftes und bewusstes Nachdenken weiter zu professionalisieren.“[11]

    Voraussetzung ist ein dynamisches Selbstbild, „um von den eigenen Verbesserungsmöglichkeiten überzeugt zu sein.“[12] Alle Lernenden können ihre Fähigkeiten in einem selbstverantworteten Kompetenzerwerbsprozess[13] (weiter)entwickeln. „Reflexion ist daher ein großer Gewinn für berufliches Handeln, sie ermöglicht eine entwickelte Professionalität und damit auch eine andere Qualität von Souveränität und Handlungssicherheit. Sie ist keineswegs nur eine kognitive Kompetenz, sie ist auch mit emotionalen Prozessen und Haltungen verbunden und sie gestaltet sich im sozialen Raum.“[14]

    Auch einzelne Konkretionen in den Handlungsfeldern des Kerncurriculums verweisen als „Perspektive Reflexivität“ auf besonders relevante ausbildungsfachliche Querschnittsthemen.[15] Dabei ist Reflexion sowohl auf eine aktuelle Situation als auch auf die eigene (Berufs-)biografie[16] bezogen. Unsere Überzeugung dazu lautet: Die Reflexion eines Erlebnisses (multiperspektivisch) macht daraus eine Erfahrung, diese Erfahrung ermöglicht Lernen und fortwährendes Lernen entwickelt Professionalität. Dabei ist die Reflexion immer von der eigenen Person abhängig und damit stets personalisiert, fördert also eine personalisierte Professionalisierung[17] eines lebenslangen beruflichen Lernens.

    Die Reflexion der eigenen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster wird hier zu einem wesentlichen Schwerpunkt, da diese impliziten Wissensbestände als eigener Habitus persönliche Orientierungen und Handlungen leiten und strukturieren.[18] Durch das Umfeld erworbene Habitus (siehe folgende Abbildung) werden durch Reflexion bewusst zugänglich.

     

    Abb. 3: Habitusfigurationen und ihr Erscheinen im berufsbiografischen Verlauf[19]

     

    Konkret vollzieht sich jeder Reflexionsprozess in einem Zyklus:


    Abb. 4: Der Reflexionszyklus[20]

     

    Grob formuliert besteht dieser aus vier wesentlichen Elementen: Konkrete Beobachtungen benennen, dazu Hypothesen zur Erklärung bilden, mögliche Konsequenzen ziehen/ Alternativen überlegen und konkrete Umsetzungsvorhaben planen. Es müssen nicht immer alle sieben Felder durchlaufen werden, allerdings gewinnt die Reflexion an Tiefe, wenn möglichst vielfältige Perspektiven genutzt und miteinander verbunden werden, „um die subjektive Sicht auf eine komplexe Situation zu erweitern.“[21]

    Unsere Essenz: Vor allem reflektierende Praktiker:innen werden handlungsfähige Lehrkräfte.[22]

    Auf dieser Grundlage wurde das vorliegende Ausbildungsprogramm entwickelt. Es ist sowohl als Information über unser Ausbildungskonzept als auch als Arbeitsinstrument zu verstehen, das einem fortwährenden Weiterentwicklungsprozess unterliegt.

    Im Folgenden zeigen wir anhand unserer Ausbildungsbausteine auf, wie wir am Grundschulseminar in Engelskirchen die Handlungsfelder, die vier Dimensionen der Bildung, die Reflexionskompetenz (unter besonderer Berücksichtigung der berufsbiografischen Habitusentwicklung) und alle weiteren Elemente unserer Leitgedanken und Querschnittsthemen des KC (zum Beispiel Perspektive Digitalisierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung - BNE …) zum Kern unserer Ausbildung werden lassen.

     Link zum Ausbildungsprogramm









    [1] Spitzer, Manfred: Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Heidelberg 2006, S. 76

    [2] ebd., S. 78

    [3] vgl. ebd., S. 6

    [5] Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung – OVP) und MSB NRW: Kerncurriculum für die Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst -Verbindliche Zielvorgabe der schulpraktischen Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen, 2021

    [6] ebd., S. 4

    [7] vgl. MSB NRW: Kerncurriculum für die Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst, 2021, S. 6

    [8] vgl. Fadel/Bialik/Trilling: Die vier Dimensionen der Bildung. Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen, Hamburg 2017, S. 77

    [9] ebd., S. 74f

    [10] ebd., S. 165

    [11] Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg (Hrsg.): Reflexionskompetenz fördern. Reflexion und  Reflexionskompetenz in der Lehrkräftebildung, Hamburg 2020, S. 4

    [12] Fadel/Bialik/Trilling: Die vier Dimensionen der Bildung. Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen,  Hamburg 2017, S. 175

    [13] vgl. MSB: Kerncurriculum für die Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst, 2021, S. 5

    [15] vgl. MSB: Kerncurriculum für die Lehrerausbildung im Vorbereitungsdienst, 2021, S. 4

    [16] ebd., S. 5

    [17] ebd., S. 5

    [18] Kosinar, Julia: Übungen zur biografischen Habitusreflexion. Unveröffentlichtes Manuskript. 2023, S. 3

    [19] Ebd., S. 6

    [20] Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg (Hrsg.): Reflexionskompetenz fördern. Reflexion und Reflexionskompetenz in der Lehrkräftebildung, Hamburg 2020, S. 32

    [21] ebd. S. 7

    [22] ebd. S. 4